1. 11. 2024, 19:00 Uhr, die Premiere
Janáček-Theater
Autor: Leoš Janáček
Dirigent: Marko Ivanović
Regie: Robert Carsen
Ensemble: Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno
In Koproduktion mit: Teatro Real, Madrid; Staatsoper Unter den Linden, Berlin
Die Vorstellung dauert 180 Minuten einschließlich einer 35-minütigen Pause.
Diese Vorstellung wird aufgezeichnet durch den Tschechischen Rundfunk, den
Hauptmedienpartner des Festivals.
Weitere Aufführung: 3.11. um 15:00 Uhr, 3.12. um 19:00 Uhr (Festival-Nachlese), 4.12. um 19:00 Uhr (Festival-Nachlese, die Vorstellung wird über OperaVision live übertragen)
1. Teil
Die Prager Kneipe auf der Vikárka (Pfarrhaus) ist gut besucht. Herr Brouček, der Hausmeister, legt mehr Wert auf sein Bier und seine Würstchen als auf alles andere. Málinka, die Tochter des Sakristan, ist wütend auf ihren Freund Mazal, einen der vielen Mieter von Herrn Brouček, weil sie ihn mit einem anderen Mädchen tanzen sah. Um ihren Freund eifersüchtig zu machen, beschließt Málinka, mit Mazals Hausmeister zu flirten. Brouček ist so betrunken, dass er verspricht, sie zu heiraten. Doch als ihr Vater ihn fragt, beharrt er schnell darauf, dass das ein Scherz war und dass er Málinka nur heiraten würde, wenn sie beide auf dem Mond wären.
Es ist spät und der Wirt Würfl schließt die Kneipe. Zurück bleibt nur der betrunkene Brouček. Bevor er einschläft, sagt er dem Mond, dass er lieber oben wohnen und all den Leuten aus dem Weg gehen sollte, die nie die Miete zahlen und versuchen, ihn seines Geldes zu berauben.
In seinem Traum gerät Brouček auf dem Mond und erkennt einige der Mondbewohner: Einer von ihnen, namens Blankytný, scheint Mazal sehr ähnlich zu sein, während Etherea Brouček an Málinka erinnert. Etherea, die mit ihrem Vater Lunobor ankommt und von einer Truppe Mondmädchen begleitet wird, verliebt sich sofort in Brouček. Mit ihrer Mondgruppe gelingt es Etherea, den trotzigen Vermieter zu entführen.
Als Etherea mit Brouček wieder auftaucht, stellt die Zauberin, eine weitere Bewohnerin des Mondes, den seltsamen Erdenmenschen allen Künstlern auf dem Mond vor, aber der hungrige und durstige Brouček hat kein Interesse an Poesie, Musik oder Kunst jeglicher Art. Mondkünstler leben vom Schnüffeln an Blumen, und der hungrige Brouček ekelt sie an, als er plötzlich eine Wurst aus der Tasche zieht. Nachdem sie entsetzt weggegangen sind, hofft Brouček, dass sie ihn endlich in Ruhe essen lassen, doch die immer leidenschaftlicher werdende Etherea hält ihn davon ab…
Broučeks Traumbesuch auf dem Mond endet auf der Erde in der Sicherheit der Vikárka-Kneipe, wo er friedlich schläft, während Mazal und Málinka sich nach einem Streit versöhnen…
2. Teil
Brouček, der sich durch das Abenteuer auf dem Mond nicht abraten ließ, betrinkt sich erneut in der Vikárka-Kneipe, wo er sich auf ein noch überraschenderes und gefährlicheres Abenteuer einlässt: Nun scheint er sich in den mittelalterlichen Straßen Prags zu befinden und gerät mitten in eine Schlägerei der Prager gegen feindliche Eindringlinge. Diese Patrioten, auch diejenigen, die Brouček kennt, heißen ihn als Seelenverwandten willkommen, doch Brouček will den Kampf um jeden Preis vermeiden: Er liebt sein Land, sein Bier und seine Würste, aber er ist nicht bereit, sein Leben für sie zu opfern.
Als die Prager den Sieg über den Feind feiern, prahlt Brouček mit seinem tapferen Kampf, wird aber der Lüge beschuldigt, mit der er sein feiges Verhalten zu vertuschen versuche. In dem Moment, als er dazu verurteilt wird, bei lebendigem Leib in einem Bierfass verbrannt zu werden, wacht er plötzlich auf, geborgen in einem der leeren Biertanks der Vikárka-Kneipe.
Brouček ist begeistert, unversehrt von seiner letzten unglaublichen Reise zurückgekehrt zu sein, und prahlt gegenüber dem Wirt mit seinen Heldentaten, bittet ihn jedoch, Diskretion zu bewahren und niemandem davon zu erzählen…
Regie: Robert Carsen
Dirigent: Marko Ivanović
Szene: Radu Boruzescu
Kostüme: Annemarie Woods
Lichtdesign: Robert Carsen / Peter van Praet
Choreographie: Rebecca Howell
Dramaturgie: Robert Carsen / Patricie Částková
Chorleiter: Martin Buchta (Die Ausflüge des Herrn Brouček auf den Mond)
Chorleiter: Pavel Koňárek (Die Ausflüge des Herrn Brouček ins 15. Jahrhundert)
Assistent des Regisseurs: Gilles Rico / Otakar Blaha
Assistent der Kostüme: Ilona Karas, Magdalena Černá
Assistent der Szene: Matěj Kos / Mathieu Crescence
Assistent der Choreografin: Oliver Metzler
Bühnenmanager: Silvie Adamová / Monika Hliněnská
Besetzung:
Matěj Brouček – Nicky Spence
Mazal / Blankytný / Petřík – Daniel Matoušek
Küster am Sankt-Veits-Dom / Lunobor / Domšík von der Glocke – David Szendiuch
Málinka / Etherea / Kunka – Doubravka Novotná
Würfl / Čaroskvoucí / Konšel – Jan Šťáva
Hilfskellner / Wunderkind / Student – Andrea Široká
Kedruta – Jana Horáková Levicová
Svatopluk Čech – Daniel Kfelíř
Künstler / Oblačný / Vacek der Bärtige – Tadeáš Hoza
Künstler / Duhoslav / Vojta von den Pfauen / Professor – Vít Nosek
Künstler / Harfoboj / Miroslav der Goldschmied – Ondřej Koplík
Taboriten – Petr Karas
Taboriten / Dichter – Pavel Valenta
Das Motto des 9. Jahrgangs des Theaterfestivals Bez hranic war gerade durch Janáčeks fünfte Oper Die Ausflüge des Herrn Brouček inspiriert, in der wir zusammen mit dem Haupthelden auf den Mond und dann ins 15. Jahrhundert reisen. Das gleiche Motto könnte auch für das Schaffen des Regisseurs Robert Carsen gelten, dessen Inszenierungen auf der ganzen Welt für ihr dramatisches Feingefühl, ihre Poetik, ihren Humor und ihre künstlerische Geschliffenheit geschätzt werden. Dem Werk des tschechischen Komponisten begegnete der gefeierte Regisseur schon vor vielen Jahren, und heute hat Carsen bereits sechs Inszenierungen von Janáček-Opern auf seinem Konto. Für das Brünner Ensemble schuf er im Jahr 2020 seine Interpretation der Oper Schicksal, und nunmehr kehrt er auf die Bühne des Janáček-Theaters zurück, um gerade mit seiner Neuinszenierung der Ausflüge des Herrn Brouček das Festival feierlich zu eröffnen.
Keine von Janáčeks Opern lässt sich als komische Oper bezeichnen, denn obgleich der Humor in ihnen nie fehlt, bleibt er doch stets ein sparsam eingesetztes Gewürz. In seiner Oper über den Hausbesitzer von der Prager Kleinseite, einen typischen tschechischen Kleinbürger, sprüht Janáček dagegen regelrecht vor Humor, wenngleich dieser hier ordentlich geschliffen daherkommt. Janáček fand seine Vorlage in den beliebten Brouček-Novellen des Dichters Svatopluk Čech, dessen satirischen Witz er durch seine Musik im Tanzrhythmus und die Verwendung ungewöhnlicher Instrumente wie Glasharmonika oder Dudelsack perfekt umsetzte. Während der erste Teil der Oper – der Ausflug auf den Mond – mit spitzem Humor auf die Prager Kritiker, Künstler und Intellektuellen abzielt, stellt der zweite Teil aus den Zeiten der Hussiten alle unschönen Eigenschaften des gesamten tschechischen Volkes bloß.
Die Oper war keine leichte Geburt, Janáček wechselte mehrfach die Librettisten, und es dauerte volle neun Jahre, bis er nach allen Peripetien mit dem Libretto den Ausflug des Herrn Brouček auf den Mond erfolgreich vollenden konnte. Über seine Versschreiber beklagte er sich anschließend mit den Worten: „Aber unsere Dichter! Man müsste ihnen alles vorsagen – und es würde doch erbärmlich ausfallen!“ Dennoch entschloss er sich unmittelbar nach Fertigstellung der Oper, sie noch um einen zweiten Teil zu erweitern – diesmal einen Ausflug ins 15. Jahrhundert. Diesen Teil bewältigte er zusammen mit dem Librettisten F. S. Procházka deutlich schneller, von da an jedoch schrieb Janáček alle Libretti selbst. Aber warum wählte er eigentlich Čechs Herrn Brouček? Das erklärte er sehr schön in einem Brief an Kamila Stösslová:
„Denn wissen Sie, wer dieser Brouček ist? Das ist ein ganz gewöhnlicher Mensch; er zerreißt sich das Maul über die ganze Welt und verbringt dabei das ganze Leben hinter seinem Bierkrug. Er taugt zu nichts Gutem auf der Welt. Sie fragen: „Warum haben Sie denn dann so einen Menschen für eine Oper gewählt?“ Damit er alle anwidert, damit er zum Gespött wird und damit er als Warnung dient! Die Russen hatten auch solch einen „weichen“ Menschen; er hieß Oblomow. Eigentlich war jeder zweite Russe ein Oblomow – und wohin haben sie es gebracht! Jetzt säubert das eine furchtbare Revolution mit Bächen von Blut. Deshalb führe ich Brouček vor – zur Warnung. Auch bei uns gibt es allenthalben mehr als genug dieser Broučeks! Allein ihr Magen ist ihnen alles. So betrinkt sich denn mein lieber Brouček wieder, schläft irgendwo auf dem Hradschin ein und hat einen Traum: Er fliegt auf den Mond! Und stürzt dort ab. Oh Graus! Die Menschen dort laben sich allein am Duft der Blüten. Sie lassen Brouček nur an den Blüten riehen. Und jetzt verliebt sich dort eine Mondfrau in ihn! Ein ätherisches Wesen, ein Körper wie eine Gerte!“
Patricie Částková
Hinweis: Nur eine gekürzte englische Version des Programms steht hier zum kostenlosen Download bereit. Das vollständige gedruckte Programm in tschechischer und englischer Sprache kann direkt bei der Aufführung erworben werden.