8. 11. 2024, 19:00 Uhr
Mahen-Theater
Autor: Pavel Haas
Regie: Ondřej Havelka
Dirigent: Jakub Klecker
Ensemble: Mährisch-Schlesisches Nationaltheater
Die Aufführung dauert 150 Minuten einschließlich einer 25-minütigen Pause.
Erster Akt
I. Bild
Auf dem Marktplatz einer Kleinstadt drängen sich die Schaulustigen um das Zelt des umherziehenden Quacksalbers Pustrpalk. Zwei Mitglieder der Truppe des Doktors, Kyška und Pavučina, erzählen dem Publikum unglaubliche Geschichten über seinen außerordentlichen medizinischen Sachverstand. Unter Fanfarenklängen betritt Pustrpalk die Szene und behandelt die Kranken. Einem an Mumps leidenden Mann hilft er tatsächlich, die übrigen „erfolgreichen Eingriffe“ sind dagegen eingeübte Szenen, die er mit seinen Kumpanen dem Publikum vorspielt, um es zu blenden und zum Kauf seiner zuverlässigen medizinischen Präparate zu animieren. Von Dienern wird Amaranta, die schöne Gemahlin des Professors Puntičkář, herbeigetragen, welche seit einer tragisch verlaufenen Entbindung teilweise gelähmt ist und sich Hilfe erhofft. Pustrpalk durchschaut rasch das Wesen ihres Leidens und setzt sie mit entblößtem Hintern in einen Korb voll Brennnesseln. Betört von den Reizen seiner Patientin, bietet der Heiler ihr an, sich seiner Truppe anzuschließen. Die ganze Szene mit Amaranta wird durch die unheilverkündende Figur des geheimnisvollen Mönchs Jochimus beobachtet, eines Mannes, der unter der Soutane seine wahre Identität verbirgt.
II. Bild
Pustrpalks Wandertruppe zieht von Stadt zu Stadt.
III. Bild
Diesmal hat sich die Truppe auf dem leeren Marktplatz eines anderen Städtchens niedergelassen. Amaranta, die sich nach ihrer Heilung der Wandertruppe angeschlossen hat, tritt in einem enorm weiten Reifrock auf. Pustrpalk versucht ihr beim Besteigen des Wagens zu helfen und wird dabei im ungünstigsten Moment von seiner eifersüchtigen Gattin Rozina bemerkt. Der Streit zwischen den Ehemännern wie auch den zwei Frauen gerät zur öffentlichen Belustigung, und Pustrpalk, der noch immer von Jochimus verfolgt wird, sieht sich gezwungen, mit seiner Truppe überstürzt die Stadt zu verlassen.
Zweiter Akt
IV. Bild
Die Truppe hat ihr Lager vor der alten Mühle eines kranken Müllers aufgeschlagen. Pustrpalk gesteht Amaranta seine Liebe. Die weist ihn kokett ab, was seine Leidenschaft nur noch mehr entflammt. Nachdem sie sich verabschiedet haben, hört der hinter seinem Wagen verborgene Doktor zufällig, wie seine Kumpane Zavináč und Silák einen Plan schmieden, ihren Herrn auszurauben. Pustrpalk überrascht die Verschwörer und wirft ihnen scharf ihre Undankbarkeit vor. Später jedoch verzeiht er ihnen und beschließt, sein Vermögen mit der ganzen Truppe zu teilen. Er bewirtet seine Kumpane mit Wein, doch das heitere Besäufnis artet in eine Schlägerei aus, die tragisch endet. Die Truppe steckt die Mühle in Brand, während Pustrpalk mit Amaranta und Bakalář in Panik davonrennt.
[PAUSE]
V. Bild
Pustrpalk, Amaranta und Bakalář treffen in einer größeren Stadt ein, wo man gerade Karneval feiert. Auf dem Marktplatz verfolgen sie den Auftritt des Quacksalbers Šereda, dem Pustrpalk eine Zusammenarbeit anbietet. Pustrpalk erregt die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Auch der König, der sich verkleidet unters Volk gemischt hat, ist von Pustrpalks Künsten angetan, belohnt ihn großzügig und erklärt ihn zum größten Mann seines Zeitalters. Von allen gefeiert, sucht Pustrpalk Amaranta, die die wurde unterdessen von Jochimus’ Handlangern entführt.
Dritter Akt
VI. Bild
Es ist eine längere Zeit vergangen, doch Pustrpalk sehnt sich noch immer nach seiner verlorenen Liebe Amaranta. Kyška, einer seiner Kumpane, kündigt ihm an, dass ein schwerkranker Mönch auf dem Weg zu ihm sei. Es ist Jochimus, der endlich gesteht, wer er in Wirklichkeit ist, und um Vergebung und seine Rettung bittet. Pustrpalk operiert ihn rasch – um dann mit seiner Truppe vor der aufgebrachten Menge zu fliehen, die ihn des Mordes bezichtigt und ihn als Scharlatan tituliert.
VII. Bild
Nach mehreren Jahren treffen sich im Wirtshaus die einstigen Gefährten Pustrpalks, dessen Stern schon längst erloschen ist. Sich erzählen sich vom tragischen Schicksal ihres Meisters, angeblich leide er an Verfolgungswahn und trinke. Der betrunkene und heruntergekommene Pustrpalk erscheint und lädt die drei armen Studenten ein. Diese sollen seinen Namen erraten. Als die Studenten ihn endlich erkennen, improvisiert Pustrpalk in einem Anflug von Größenwahn ein selbstironisches Spottlied über seine Wunderheilungen, in das auch seine einstigen Gefährten einstimmen. Mitten in der ausgelassenen Feier hat Pustrpalk plötzlich eine Erscheinung – vor ihm steht der Mönch Jochimus. Er will sich mit dem Schwert auf das Trugbild stürzen, doch dann sinkt er zu Boden und stirbt.
Regie: Ondřej Havelka
Dirigent: Jakub Klecker
Szene: Jakub Kopecký
Kostüme: Kateřina Štefková
Chorleiterin: Jurij Galatenko
Dramaturgie: Juraj Bajús
Regieassistentin, Inspizienz: Bohuslava Kráčmarová
Dirigentenassistentin: Lada Valešová
Leiterin der musikalischen Vorbereitung: Jana Hajková
Musikalische Vorbereitung: Jana Hajková, Jan Novobilský
Textüberwachung: Hana Kluzová
Konzertmeister des Chors und Orchesters der NDM-Oper: Jan Šošola und Lucie Staňková
Pustrpalk – Pavol Kubáň
Amaranta – Soňa Godarská
Zavináč – Vincenc Ignác Novotný
Baccalaureus – Václav Čížek
Spinnennetz – Josef Škarka
König – Pavel Divín
Hässlicher / Mann mit Krücken / Wirt – Václav Morys
Jochymus – Martin Gurbaľ
Rozina – Eva Dřízgová-Jirušová
Feuerwerk – Juraj Nociar
Seiltänzer / Stadtphysikus – Michal Kubečka
Schlangenzähmer – Petr Urbánek
Verkäufer / Apotheker / Student II – Tomáš Krpec
Diener II / Student III – Ihor Maryshkin
Diener I – Jonáš Slovák
Überläufer / Jochymus‘ Knecht – Tomasz Suchanek
Sprungmeister – Ondřej Friedrich, Adam Holub
Tänzerinnen und Tänzer – Adina Mlčáková, Petra Sejkorová, Julie Svitičová, Petr Hýl, Stephen MacIntos
Wenn wir nur einen Brünner Komponisten auswählen dürften, um an ihn im Rahmen unseres Festivals zu erinnern, dann wäre dies mit Sicherheit Pavel Haas. Janáčeks Lieblingsstudent, dessen Leben im Oktober 1944 in Auschwitz ein allzu frühes Ende fand, ist mit unserer Stadt nicht nur durch seine familiäre Herkunft und sein Studium verbunden. Am Brünner Mahen-Theater erlebte 1938 Haas’ einzige Oper Der Scharlatan ihre Uraufführung. Hier wird nun auch nach bald neun Jahrzehnten eine Neuinszenierung des Opernensembles des Mährisch-Schlesischen Theaters unter der Regie von Ondřej Havelka und mit Jakub Klecker am Dirigentenpult zu erleben sein. Den Festivalbesuchern präsentiert sich Der Scharlatan an seinem Entstehungsort nur wenige Wochen nach der Premiere in Ostrava.
Hokuspokus, Elixiere, Gaukeleien und Betrügereien, all das begleitet den umherziehenden Quacksalber Pustrpalk auf seinen Reisen von Stadt zu Stadt durch die vom Dreißigjährigen Krieg verwüstete Landschaft. Das Sujet fand Pavel Haas im Roman Doktor Eisenbart des deutschen Schriftstellers Josef Winckler, welcher wiederum auf der realen Figur des Wundarztes Johann Andreas Eisenbarth basiert, der, ohne je ein medizinisches Studium absolviert zu haben, auch in höfischen Kreisen anerkannt war. Den Namen seines Haupthelden und zahlreiche weitere Züge ergänzte Haas jedoch aus einer rein tschechischen Quelle – dem mittelalterlichen Unguentarius. Die tragikomische und nachgerade faustische Oper von einem fahrenden Wundarzt, der das Unmögliche verspricht, um selbst ein unerreichbares Lebensglück zu finden, erlebte ihre Premiere kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, weniger als drei Wochen nach dem Anschluss Österreichs. Durch den Krieg wie durch den Tod Pavel Haas’ geriet Der Scharlatan für lange Jahre in Vergessenheit und wurde erst nach vollen sechzig Jahren beim Opernfestival im irischen Wexford erneut gespielt. In Tschechien steht nunmehr die erste Aufführung seit der Premiere vor dem Zweiten Weltkrieg bevor.
Patricie Částková