Jakub Hrusa by Ian Ehm

4. 11. 2024, 19:00 Uhr

Janáček-Theater

Bamberger Symphoniker

Dirigent: Jakub Hrůša

Klavier: Daniil Trifonov

Chor: Tschechischer Philharmonischer Chor Brno

Chorleiterin: Petr Fiala

Die Aufführung dauert 140 Minuten einschließlich einer 25-minütigen Pause.

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Josef Suk: Lebensreifen, op.34
Antonín Dvořák: Konzert für Klavier und Orchester g-Moll, op.33
Leoš Janáček: Taras Bulba, VI/15

 

Im Jahr 1924 wurde in Brno erstmals das „Jahr der tschechischen Musik“ gefeiert. Das ganzjährige Musikfest wurde eingeleitet durch ein Festkonzert anlässlich der siebzigsten Geburtstags von Leoš Janáček und des fünfzigsten von Josef Suk. Das Konzert war als Überraschung für Janáček gedacht, man erweiterte das Orchester des Brünner Nationaltheaters durch Studenten des Konservatoriums und Mitglieder des deutschen Theaters. Auf dem Programm des an einem Januarsonntag stattfindenden Vormittagskonzerts zu Ehren der beiden großen Komponisten standen Janáčeks Taras Bulba und Suks Lebensreifen. Doch kam alles etwas anders als geplant.  Das Stadttheater war festlich geschmückt, ebenso die Meisterloge, doch von Janáček keine Spur. Erst nach dem Konzert kam heraus, dass der Dirigent František Neumann vergessen hatte, ihn einzuladen. Janáček wollte sich unterdessen Konzertkarten kaufen, doch es waren schon alle ausverkauft, und so machte er denn stattdessen einen Spaziergang. In einem Brief an seine Freundin Kamila Stösslová schilderte er humorvoll die Begebenheit: „Das war ein Spaß hier in Brünn. Man hatte eine Art Feier für mich und den Komponisten Suk vorbereitet. Ich habe es nicht einmal geschafft, Karten zu kaufen – also bin ich denn nicht hingegangen. Sie riefen, sie suchten nach mir – und ich war irgendwo außerhalb der Stadt in den verschneiten Feldern!“

Die Orchesterrhapsodie Taras Bulba basiert auf der gleichnamigen Novelle von Nikolai Gogol, die Janáček bei einer gemeinsamen Lesung des Brünner Russischen Kreises bereits 1905 im russischen Original kennengelernt hatte. Seine Arbeit an der Lebensgeschichte des ukrainischen Kosaken nahm er zu Beginn des Ersten Weltkriegs in der ersten Jahreshälfte 1915 auf, doch zwangen ihn die polizeilichen Umtriebe in der Monarchie gegen alles Russische ihn bald dazu, sie vorläufig zu unterbrechen. Erst im Frühjahr 1918 widmete er sich wieder dem Stück, um es schließlich als „slawische Rhapsodie“ zu vollenden. Ihre Premiere erlebte diese ungewöhnliche Komposition erst im Jahr 1921, als František Neumann sie zusammen mit dem Brünner Theaterorchester einstudierte.

Es mag verwundern, dass das Konzert für Klavier und Orchester g-Moll von Antonín Dvořák (1841–1904) nicht öfter auf den Konzertpodien gespielt wird, ist es doch ein überaus ansprechendes Werk. Dvořák vollendete es im Jahr 1876, kurz nachdem er den jungen Leoš Janáček kennengelernt hatte, die heutige Gestalt des Stückes stammt jedoch von 1883, als der Komponist eine weitreichende Überarbeitung vornahm. Das Konzert entzieht sich etwas der damaligen, von Chopin und Liszt geprägten Tradition, wonach die Flächen eines virtuos konzipierten Soloparts und des dominierenden Orchesters einander abwechseln. Diese Kontraste ersetzte Dvořák durch den einheitlichen Musikstrom einer symphonischen Komposition.

Seine monumentale symphonische Dichtung Lebensreifen komponierte Josef Suk (1874–1935) in den Jahren 1912–1917, also nahezu im selben Zeitraum wie Janáček seinen Taras Bulba. Die Inspiration zu seinem Werk hatte Suk im gleichnamigen Gedicht von Antonín Sova gefunden. Das Bekenntnis des Poeten war dem Komponisten nah, denn auch er hatte das Bedürfnis, durch die Musik seine Gefühle und Erlebnisse mitzuteilen – von den tragischen, wie wir sie auch aus seiner Symphonie Asrael kennen, bis hin zu Zuversicht, Lebens- und Schaffensfreude. Da Suk vor allem durch seine Tätigkeit beim Böhmischen Quartett voll ausgelastet war, zog sich die Arbeit an der Komposition in die Länge, so dass sie erst am 30. Oktober 1918, also zwei Tage nach der Ausrufung der Tschechoslowakei, ihre Uraufführung erlebte. Lebensreifen wurde das erste Mal von der Tschechischen Philharmonie unter ihrem Dirigenten Václav Talich einstudierte und wurde begeistert aufgenommen, wenngleich manche Zuhörer wie Kritiker etwas ratlos angesichts der kompliziert angelegten Partitur waren. Heute gilt diese großartige symphonische Dichtung als ein Kleinod des symphonischen Schaffens ihrer Epoche.

Jiří Zahrádka