15. 11. 2024 v 19:00
Mahen-Theater
Orchester der Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno,
Chor: Kinderchor Brno
Chorleiter: Valeria Maťašová
Chor: Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn
Chorleiter: Joel Hána
Dirigent: Robert Kružík
Violine: Jan Mráček
Solisten: Jana Šrejma Kačírková (Sopran), Václava Krejčí Housková (Alt), Vít Nosek (Tenor), Tadeáš Hoza (Bariton)
Unter Mitwirkung von Hana Briešťanská (Schauspielbühne des Nationaltheaters Brno) und Daniel Bambas (J.H.)
Die Aufführung dauert 120 Minuten einschließlich einer 25-minütigen Pause.
Leoš Janáček: Violinkonzert „Wanderung einer kleinen Seele“
Miloslav Ištvan: Beschwörung der Zeit für zwei Erzähler und Orchester
Bohuslav Martinů: Der Blumenstrauß. Kantate über Volkstexte für gemischten (Kinder-)Chor, Solostimmen und kleines Orchester
In der tschechischen Musik lässt sich eine starke existentialistische Strömung beobachten, die sich in unterschiedlicher Form manifestiert, wie gerade das Programm dieses Konzerts illustriert.
Das Violinkonzert Wanderung einer kleinen Seele war ein bloßes unvollendetes Vorhaben von Leoš Janáček (1854–1928). Als er im Mai 1926 von einem offiziellen Besuch in England zurückkehrte, wo ihm die ausgezeichnete Geigerin Adila Fachiri seine Sonate für Violine und Klavier vorgespielt hatte, spielte er unter dem Eindruck ihrer Leistung mit dem Gedanken, ein Violinkonzert zu komponieren, welches er „Wanderung einer kleinen Seele“ nannte. Das begonnene Werk gab er jedoch bald auf und legte seine handschriftliche Partitur beiseite. Über diese geheimnisvolle Komposition wissen nur sehr wenig. Teile dieses Konzerts verwendete Janáček später im Vorspiel zur Oper Aus einem Totenhaus, wobei interessanterweise bereits in der Partitur des Violinkonzerts auch das Klirren der Fesseln der Sträflinge zu vernehmen ist – nachgerade als Vortrupp der künftigen Oper. Die Rekonstruktion dieses Werks leisteten Miloš Štědroň und Leoš Faltus.
Miloslav Ištvan (1928–1990) zählt zu den bedeutendsten Komponisten, die in Brno wirkten. Er betrat die Szene in den vierziger Jahren, als er auf den musikalischen Neoklassizismus und Neofolklorismus und insbesondere auf Bartók und Janáček reagierte, doch zu Beginn der sechziger Jahre wandte er sich der sog. Neuen Musik zu. In der Folge entwickelte er einen spezifischen Kompositionsansatz, den er in der Publikation Methode der Montage isolierter Elemente in der Musik zusammenfasste. Beschwörung der Zeit ist ein vierteiliges Werk für Symphonieorchester sowie eine höhere und eine tiefere Stimme zweier Rezitatoren aus dem Jahr 1967. Die Entscheidung, ein Werk für vorgetragenen Text und Orchester zu komponieren, resultierte aus seiner Zusammenarbeit mit dem Theater. Der Text entstand durch Kombination von Passagen aus einer Gedichtsammlung von Oldřich Mikulášek mit Bibelteilen und Texten eines unbekannten Barockschreibers. Ištvans Komposition, die der Vergänglichkeit des Lebens gewidmet ist, kann als eines der eindrucksvollsten Werke der zweiten Hälfte der sechziger Jahre gelten.
Den Blumenstrauß, eine Kantate für Solostimmen, gemischten und Kinderchor und Orchester, schrieb Bohuslav Martinů (1890–1959) im Jahr 1937. Die dreißiger Jahre waren charakterisiert durch ein gesteigertes Interesse des Komponisten an der böhmischen und mährischen Folklore. Die Texte überwiegend balladischen Charakters fand Martinů in Sammlungen von Karel Jaromír Erben und František Sušil. Die insgesamt acht Teile werden durch ein markantes Präludium eingeleitet, die einzelnen Nummern unterteilt durch eine orchestrale Idylle, die an die Pastoralen der Kantoren erinnert, und eine Intrada. Obgleich es sich um eine der bemerkenswertesten Kompositionen Martinůs handelt, wird das Werk eher selten gespielt. Der Komponist kombiniert hier virtuos neofolkloristische Tendenzen mit neoklassizistischen, die vor allem durch Igor Strawinsky inspiriert sind. Die Premiere fand 1938 unter der Leitung von Otakar Jeremiáš in Prag statt, während Martinů offenbar nur die Rundfunkübertragung hörte. Das Werk widmete er dem Maler Jan Zrzavý, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband.
Jiří Zahrádka